Und ich kann sagen, dass ohne diese Reise die Genfer Konvention vielleicht gar nicht zustande gekommen wäre.
Wie es dazu kam?
Meine Genfer Mitstreiter2 und ich wollten unsere Ideen zum Schutz der Verwundeten im Krieg an einer Wohltätigkeits-Konferenz präsentieren. Doch die wurde kurzfristig abgesagt.
Also beschlossen wir, selbst eine Internationale Konferenz abzuhalten.
In zwei Monaten!
Experten aus möglichst vielen Staaten sollten nach Genf kommen und über ein Abkommen3 beraten, das Verletzte im Krieg schützt.
Ich machte mich auf die Reise und überzeugte in unzähligen Gesprächen Königinnen, Militärärzte und Kriegsminister von unserer Idee.
Die erste Station war Berlin4.
Berlin: Internationaler Kongress für Statistik.
Mein Freund Johan Bastings5 hatte mich eingeladen.
Ich wollte die Militärärzte für unser Anliegen gewinnen. Sie kennen die Probleme der Versorgung von Verwundeten6 in einer Schlacht.
Das heisse Thema war die Neutralisierung.
Die Idee ist folgende: Das Sanitätspersonal und die Verletzten sind neutral7. Sie sind nicht Teil des Kampfes und dürfen nicht angegriffen werden. Genial, oder? So kann den Verletzten viel besser geholfen werden!
Die Militärärzte sahen die Vorteile einer solchen Neutralisierung. Also schrieb ich an alle Adressaten der Konferenz, damit auch dieses Thema an der Konferenz beraten wird.
Meine Mitstreiter im Fünferkomitee waren gar nicht begeistert8. Ich hatte im Namen des Fünferkomitees geschrieben, aber die anderen vier gar nicht gefragt. Sie fanden die Idee der Neutralisierung völlig utopisch. Warum mussten sie denn immer so vorsichtig sein?
Ich konnte die Leute doch begeistern. Sie sahen ein, dass gegen das unmenschliche Elend der Verletzten im Krieg etwas unternommen werden muss.
Kronprinz Friedrich9 zum Beispiel den ich in Berlin traf. Er sagte zu mir:
«Meine Mutter und ich teilen Ihre Ansichten mit Begeisterung! Wir schicken einen Delegierten für Preussen an die Konferenz!»
Oder das Galadiner10 beim Preussischen Innenminister: Ich erklärte meinen Tischnachbarn die Wichtigkeit eines Abkommens für die Verletzten. Sie gingen alle zurück und warben für unsere Konferenz in Genf.
Berlin→Dresden11
In Dresden traf ich König Johann von Sachsen. Er versprach mir seine Unterstützung für die Konferenz.
Ich platzte fast vor Freude! Wenn der überall in Europa geachtete König Johann uns unterstützt, hatten wir viel gewonnen12.
Dresden→Wien13
In Wien traf ich den Ministerpräsidenten14, er sicherte mir seine Unterstützung zu.
Wien→München15
Meine Kontakt in Bayern war Freiherr von Prankh16, der zunächst nicht begeistert war.
«Wie! Mein Herr! Auf Ihr Ersuchen soll ich einen bayrischen Vertreter nach Genf schicken, zu einer Versammlung, die von Ihnen und andern mir unbekannten Privatleuten einberufen ist!»
Ich überzeugte ihn mit dem Argument, dass andere bedeutende deutsche Königshäuser ebenfalls einen Vertreter nach Genf schicken.
Danach ging es flott weiter…
Eine Woche vor unserer Konferenz kehrte ich nach Genf zurück. Ich war sehr zufrieden mit dem Resultat. Auf meiner Reise hatte ich Vertreter von zwölf Staaten für die Teilnahme an der Konferenz20 gewonnen.